Insolvenzanfechtung: Reform nimmt Konturen an

Das aktuelle Insolvenzanfechtungsrecht und die darauf fußende, vielfach als verwalterfreundlich wahrgenommene Rechtsprechung stoßen zunehmend auf Unverständnis. Vor allem gilt das für Unternehmen / Unternehmer, welche die für ihre dem Schuldner zugute gekommene Arbeit erlangte Vergütung nach mehreren Monaten oder gar Jahren an den Insolvenzverwalter ihres früheren Auftraggebers herausgeben sollen. Nicht selten garaten sie hierdurch auch selbst in wirtschaftliche Schwierigkeiten, wenn nicht sogar in eine existenzbedrohende Lage.

Wirtschaftsverbände, aber – freilich mit anderer Motivation – auch die Finanzverwaltung und Sozialversicherungsträger kritisieren die entscheidenden Regelungen der Insolvenzordnung und deren Auslegung durch die Gerichte schon seit längerer Zeit und drängen auf eine Begrenzung der Anfechtungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters.

Das geht am Gesetzgeber offenbar nicht spurlos vorüber.

Schon am 16.03.2015 veröffentlichte  das Bundesministerium der Justriz und für Verbraucherschutz einen Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz“. Hierauf folgte nun ein Regierungsentwurf vom 29.09.2015.

Wunder sollte man aus Gläubigersicht freilich nicht erwarten: An der grundsätzlichen Konzeption und Zielstellung des Anfechtungsrechts soll sich nichts ändern. Es sind aber durchaus Verbesserungen für betroffene Gläubiger zu erkennen.

So sollen etwa im Wege der Zwangsvollstreckung erwirkte Zahlungen nicht mehr als inkongrente Deckung gem. § 131 InsO anfechtbar sein. Eine solche Neuregelung hätte erhebliche Auswirkungen in der Praxis, da derartige Zahlungen nach dem aktuellen Stand des Gesetzes ohne größere Hürden durch den Insolvenzverwalter zurückgefordert werden können, zumindest wenn sie in einem Zeitraum von drei Monaten vor Stellung des Insolvenzantrages erfolgten.

Die Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO, welche derzeit noch bis zu zehn Jahre vor Stellung des Insolvenzantrages zurückreichen kann, soll auf einen Zeitraum von vier Jahren vor den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschränkt werden. Bei kongruenten Deckungen, also Sicherungen oder Befriedigungen, die der Gläubiger in der Art und zu der Zeit zu beanspruchen hatte, sollen über einen neuen Absatz 3 zu § 133 InsO die subjektiven Anfechtungsvoraussetzungen verschärft werden. Dem Insolvenzverwalter müsste dann der Nachweis der Kenntnis des Gläubigers von einer eingetretenen (nicht nur drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gelingen. Wurden im Falle kongruenter Deckungen dem Schuldner Zahlungserleichterungen gewährt oder wurden Zahlungsvereinbarungen (z.B. Ratenzahlungen) abgeschlossen, soll darüber hinaus gesetzlich vermutet werden, dass dem Gläubiger eine Zahlungsunfähigkeit nicht bekannt war. Gegenteiliges hätte dann der anfechtende Insolvenzverwalter zu beweisen.

Finanzielle Erleichterungen sind auch bei der Verzinsung der Forderung des Insolvenzverwalters vorgesehen. Nach geltendem Recht ist im Falle einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung nicht nur das tatsächlich Erlangte herauszugeben, sondern der Anspruch des Insolvenzverwalters erfasst auch gezogene oder schuldhaft nicht gezogene Nutzungen. In der Praxis bedeutet dies in der Regel eine Verzinsung mit dem gesetzlichen Zinssatz von 4% seit Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung! Ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens und unabhängig davon, wann der Insolvenzverwalter seine Anfechtungsforderung erstmals geltend gemacht hat, kommen Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hinzu. Der Regierungsentwurf sieht keinerlei Herausgabe von Nutzungen mehr vor. Eine Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen bestünde nur noch, wenn die Voraussetzungen des Verzugs vorliegen.

Es bleibt abzuwarten, ob und in welcher Form das Reformvorhaben letztlich umgesetzt werden wird. Wir werden die Entwicklung weiter mit Interesse verfolgen und darüber informieren.

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Reform des Insolvenzrechts verpasst?

Das Handelsblatt ist offenbar seiner Zeit voraus. Am Ende eines Artikels über die Verschuldung privater Haushalte auf handelsblatt.com ist folgendes zu lesen:

„Wenn das Geld nicht mehr reicht, können Bürger Privatinsolvenz anmelden. Nach einer Änderung der Regeln im vergangenen Jahr können Schuldner bereits nach drei Jahren alle Verbindlichkeiten loswerden. Bedingung: Die Schuldner müssen innerhalb dieser Frist mindestens ein Viertel der Forderungen und die Verfahrenskosten zahlen.

Schafft es der Überschuldete, zumindest die Verfahrungskosten zu begleichen, ist er nach fünf Jahren statt nach den ansonsten üblichen sechs Jahren schuldenfrei.“

Haben wir da was verpasst?

Nein!

Was das Handelsblatt da wiedergibt, ist lediglich der Inhalt eines Regierungsentwurfes für ein „Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte“ aus dem vergangenen Jahr. Ob das Gesetz so oder in abgewandelter Form kommt, ist noch völlig offen. Nähere Informationen hierzu gibt es auf der Seite des Bundesministeriums der Justiz.

Es gilt also die bisherige Regelung der Insolvenzordnung, wonach die Restschuldbefreiung erst nach einer sechs Jahre dauernden Wohlverhaltensphase erteilt wird. Eine Abkürzung dieser Zeit nach Erreichen gewisser Tilgungsquoten sieht das Gesetz (noch) nicht vor.

Für Fragen zum Insolvenzrecht stehen wir Ihnen jederzeit gern zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns! Ihr Ansprechpartner: Herr Rechtsanwalt Woldrich.