EuGH-Urteil: Reisepreisminderung bei Beeinträchtigung und Abbruch der Reise wegen Corona-Maßnahmen

Der EuGH hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob Beeinträchtigungen einer Reise und schließlich ihr vorzeitiges Ende wegen der Corona-Maßnahmen im Reiseland eine Reisepreisminderung rechtfertigen. Bisher wäre nach deutschem Recht von einem „allgemeinen Lebensrisiko“ bzw. „höherer Gewalt“ ausgegangen worden. So sahen es auch der verklagte deutsche Reiseveranstalter und das Amtsgericht München. Der EuGH urteilte hingegen im Sinne des Verbraucherschutzes zugunsten der Kläger.

Er führte aus, dass Art. 14 Abs. 1 der Pauschalreiserichtline dahin auszulegen ist, dass ein Reisender Anspruch auf eine Minderung des Reisepreises hat, wenn eine Vertragswidrigkeit der in seiner Pauschalreise zusammengefassten Reiseleistungen durch Einschränkungen bedingt ist, die an seinem Reiseziel zur Bekämpfung der Verbreitung einer Infektionskrankheit angeordnet wurden, und solche Einschränkungen aufgrund der weltweiten Verbreitung dieser Krankheit auch am Wohnort des Reisenden sowie in anderen Ländern angeordnet wurden. Die Höhe der Preisminderung muss anhand der in der betreffenden Pauschalreise zusammengefassten Leistungen beurteilt werden und dem Wert der Leistungen entsprechen, deren Vertragswidrigkeit festgestellt wurde.

Der EuGH orientiert sich dabei eng am Wortlaut der Richtlinie. Diese sieht in Art. 14 Abs. 1 vor, dass Reisende einen Anspruch auf eine angemessene Preisminderung für jeden Zeitraum haben, in dem eine Vertragswidrigkeit vorliegt, es sei denn, der Reiseveranstalter belegt, dass die Vertragswidrigkeit dem Reisenden zuzurechnen ist. Hierbei handelt es sich um die einzige Ausnahme.

Minderungsansprüche des Reisenden werden somit schon allein bei Nichterbringung oder mangelhafter Erbringung der Reiseleistungen ausgelöst. Ob dies der Fall ist, wird rein objektiv durch einen Vergleich zwischen den vertraglich vereinbarten und den tatsächlich erbrachten Reiseleistungen bestimmt. Auf die Ursache der Vertragswidrigkeit, und ob diese dem Reiseveranstalter zuzurechnen ist oder außergewöhnliche Umstände vorliegen, kommt es hingegen nicht an.

Wer aufgrund der Corona-Pandemie von Einschränkungen während einer Pauschalreise Betroffen war, sollte daher prüfen (lassen), ob Minderungsansprüche gegenüber dem Reiseveranstalter erhoben werden können.

Ansprüche auf Minderung des Reisepreises verjähren gemäß § 651j BGB in zwei Jahren nach dem planmäßigen Ende der Reise. Für Reisen, die im Jahr 2020 und damit wie im vom EuGH entschiedenen Fall zu Beginn der Ausbreitung der Pandemie in Europa stattgefunden haben, ist daher – sofern noch keine rechtliche Schritte eingeleitet wurden – Verjährung eingetreten.

Für spätere Reisen könnten hingegen noch Minderungsansprüche bestehen. Allerdings muss im Einzelfall genau geprüft werden, zu welcher Leistung sich der Reiseveranstalter verpflichtet hatte. Im Laufe der Zeit haben die Veranstalter ihre Reisebeschreibungen den jeweils aktuellen Entwicklungen angepasst, indem sie beispielsweise auf mögliche Einschränkungen bei der Nutzung hoteleigener Einrichtungen hingewiesen haben.

(EuGH, Urteil vom 12.01.2023, Rs. C-396/21)

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Kann Standzeit eines Gebrauchtwagens beim Händler ein Mangel sein?

Bereits in unserem letzten Blogeintrag hatten wir uns mit Mängeln an Fahrzeugen befaßt. Nun hat der BGH zu diesem Komplex ein weiteres Urteil erlassen (Urteil v. 10.03.2009, Az. VIII ZR 34/08).
Der Käufer eines Gebrauchtwagens ist vom Kaufvertrag mit der Begründung zurückgetreten, eine Standzeit beim Händler von 19 Monaten stelle als solche bereits einen Mangel des Fahrzeugs dar. Mit dieser Argumentation hatte er beim BGH allerdings keinen Erfolg.
Nicht die Standzeit an sich, sondern etwaige standzeitbedingte Schäden seien maßgeblich dafür, ob sich der Käufer auf Gewährleistungrechte berufen kann, so der BGH (Pressemitteilung, Urteilstext noch nicht veröffentlicht). Ob solche Mängel auftreten hängt von den Bedingungen, unter welchen das stillgelegte Fahrzeug abgestellt wird, und nicht von der Dauer der Stilllegung ab. So können sich auch bei nur kurzer Standzeit Mängel einstellen, wenn das Fahrzeug unsachgemäß bzw. unter ungünstigen Bedingungen abgestellt wird. Umgekehrt lassen sich bei fachmännischem Vorgehen auch bei längeren Standzeiten Schäden durchaus vermeiden.
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Nachtrag v. 31.03.2009: Heute wurde nun auch das Urteil im Volltext veröffentlicht.

Mangel oder Stand der Technik?

Käufer mangelhafter Sachen haben verschiedene Rechte. Sie können grundsätzlich die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. Sie können aber unter bestimmten Voraussetzungen auch den Kaufpreis mindern oder insgesamt vom Kaufvertrag zurücktreten.
Wann liegt nun aber ein Mangel vor? Nicht immer, wenn ein gekaufter Gegenstand nicht wunschgemäß funktioniert, ist er auch mangelhaft.
In einer aktuellen Entscheidung (Urteil v. 04.03.2009, Az. VIII ZR 160/08) hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH) z. B. mit der Frage zu beschäftigen, ob bei einem Dieselfahrzeug mit Rußpartikelfilter wiederholt aufgetretene Verstopfungen des Filters einen zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigenden Mangel darstellen. Das Fahrzeug wurde überwiegend für Kurzstrecken genutzt.
Nach § 434 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist eine Sache frei von Mängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten kann.
Was bei Sachen der gleichen Art üblich ist, ist durch einen Vergleich zu ermitteln. Vergleicht man das beanstandete Fahrzeug nun mit Kfz im Allgemeinen, mit der Gruppe der Dieselfahrzeuge oder nur mit der Gruppe der mit einem Rußpartikelfilter ausgestatteten Dieselfahrzeuge? Bei den ersten beiden denkbaren Vergleichsmöglichkeiten käme man wohl zu dem Ergebnis, daß Funktionsstörungen auch bei überwiegendem Kurzstreckenbetrieb keinesfalls üblich sind. Damit wäre ein Mangel zu bejahen.
Der BGH entschied sich jedoch für die dritte Vergleichsgruppe, die Dieselfahrzeuge mit Rußpartikelfilter. Bei diesen ist es derzeit Stand der Technik, daß der Filter bei überwiegendem Kurzstreckeneinsatz zum Verstopfen neigt. Ein Mangel liegt somit nicht vor.
Zitat aus der Pressemitteilung (Urteil noch nicht veröffentlicht) des BGH:
Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts, die sich auf ein von ihm eingeholtes Sachverständigengutachten stützen, sind aber nach dem derzeitigen Stand der Technik Fahrzeuge aller Hersteller, die mit einem Dieselpartikelfilter ausgestattet sind, für einen überwiegenden Kurzstreckeneinsatz nicht geeignet, weil für die Regeneration des Partikelfilters eine erhöhte Abgastemperatur erforderlich ist, die im reinen Kurzstreckenbetrieb gewöhnlich nicht erreicht wird.
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